Neue Helmtechnik schützt besser

Laut Test von Testfakta kann der richtige Fahrradhelm einen bis zu viermal besseren Schutz vor Gehirnerschütterung bieten. Im Test kam ein Verfahren zum Einsatz, mit dem sich die Belastung des Gehirns bei Unfällen messen lässt.

Published: 28 Juni, 2016

 

Jeden Tag erleiden in Schweden etwa drei Radfahrer schwere Kopfverletzungen. Das Tragen eines Helms mindert natürlich das Risiko. Der Testfakta-Test beweist jedoch: Die derzeit erhältlichen Helme schützen unterschiedlich gut. Das gilt vor allem dann, wenn der Schlag auf den Kopf schräg von der Seite und nicht senkrecht erfolgt. thumbnail of CykelhjalmarDE „Ein solcher Aufprall passiert häufiger und erhöht außerdem das Risiko einer Gehirnerschütterung und schwerer Schädigungen des Gehirns, denn es kommt zu Rotationsbelastungen des Schädels bzw. des Gehirns“, erläutert Madelen Fahlstedt, Forscherin in der Abteilung für Neuronik an der Königlich-Technischen Hochschule (KTH) Stockholm, die an der Analyse der Testergebnisse beteiligt war. Obwohl ein schräger Aufprall also häufiger vorkommt und ernstere Folgen haben kann, standen bei den Helmherstellern bisher diestoßdämpfenden Eigenschaften bei senkrechtem Aufprall im Vordergrund – hier gibt es gesetzliche Vorgaben. „In der Forschung weiß man bereits seit den50er Jahren um die Risiken bei Rotationsbelastungen des Schädels. Aber erst jetzt setzt sich die Branche ernsthaft damit auseinander“, berichtet Madelen Fahlstedt.

Foto: Anna Sigge

Foto: Anna Sigge

In den letzten Jahren tauchten außerdem Helme auf, die damit beworben wurden, dass sie das Risiko einer Rotation des Schädels beim Aufprall mindern können – Helme mit dem sogenannten Mips-Schutz. Aber wie gut sind sie wirklich? Testfakta beauftragte das schwedische technische Forschungslabor SP in Borås, fünf Helme mit Mips-Schutz und vier Helme ohne diesen Extraschutz zu testen.Die Helme wurden auf einem Testkopf angebracht und sowohl senkrechten als auch schrägen Aufprallen ausgesetzt. Im Inneren desTestkopfes wurden mit Messsensoren die Bewegungen des Kopfes gemessen. Anhand der Messdaten aus den Tests analysierte Madelen Fahlstedt anschließend die Schädigungen des Gehirns durch die unterschiedlichen Schlagbelastungen. „Mit unserem Datensimulationsmodell können wir ermitteln, wie groß die Dehnbelastung der Hirnmasse beim Aufprall ist. Je größer die Dehnung, desto höher das Risiko einer Gehirnerschütterung“, erklärt sie. Die Ergebnisse zeigen: Das Mips-Schutzsystem hilft. Das Risiko einer Gehirnerschütterung ist bei den Mips-Helmen von Giro und Spectra im Vergleich zum Abus und zum Specialized ohne Extraschutz viermal niedriger. Der Test zeigt aber auch: Es kommt darauf an, welchen Mips-Helm man kauft. Beim Scott Arx Plus Mips ist zum Beispiel bei bestimmten Unfallarten das Risiko einer Gehirnerschütterung doppelt so hoch wie beim Spectra und beim Giro. Und auch Helme ohne Mips können gut schützen – der MET 20 Miles erzielte auch ohne Extraschutz unter anderem die besten Ergebnisse bei einem simulierten Unfall, bei dem der Radfahrer seitlich vom Fahrrad stürzt. „Auch die Helmkonstruktion ist entscheidend“, betont Madelen Fahlstedt.

Foto: Anna Sigge

Foto: Anna Sigge

Es gibt derzeit keine Vorgaben oder Grenzwerte für die Schutzfunktion von Fahrradhelmen bei Rotationsbelastungen des Schädels. Das Thema sorgt jedoch in der Branche für viel Gesprächsstoff. Man geht davon aus, dass es in den nächsten Jahren in die Zertifizierungsstandards aufgenommen wird. Die Dämpfungseigenschaften der Helme bei senkrechtem Aufprall erfüllten bei allen getesteten Modellen die gesetzlichen Vorschriften, auch wenn die Ergebnisse bei den einzelnen Helmen teils unterschiedlich ausfielen. „Diese Stoßdämpfung ist ebenfalls wichtig, denn sie senkt das Risikovon Schädelfrakturen, die auch ernsthafte Konsequenzen haben können“, erläutert Madelen Fahlstedt. Testfakta Editorial 20 Mai 2016