Laboratory test

Neue Helmtechnik schützt besser

Laut Test von Testfakta kann der richtige Fahrradhelm einen bis zu viermal besseren Schutz vor Gehirnerschütterung bieten. Im Test kam ein Verfahren zum Einsatz, mit dem sich die Belastung des Gehirns bei Unfällen messen lässt.

Jeden Tag erleiden in Schweden etwa drei Radfahrer schwere Kopfverletzungen. Das Tragen eines Helms mindert natürlich das Risiko. Der Testfakta-Test beweist jedoch: Die derzeit erhältlichen Helme schützen unterschiedlich gut. Das gilt vor allem dann, wenn der Schlag auf den Kopf schräg von der Seite und nicht senkrecht erfolgt.

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„Ein solcher Aufprall passiert häufiger und erhöht außerdem das Risiko einer Gehirnerschütterung und schwerer Schädigungen des Gehirns, denn es kommt zu Rotationsbelastungen des Schädels bzw. des Gehirns“, erläutert Madelen Fahlstedt, Forscherin in der Abteilung für Neuronik an der Königlich-Technischen Hochschule (KTH) Stockholm, die an der Analyse der Testergebnisse beteiligt war.

Obwohl ein schräger Aufprall also häufiger vorkommt und ernstere Folgen haben kann, standen bei den Helmherstellern bisher die stoßdämpfenden Eigenschaften bei senkrechtem Aufprall im Vordergrund – hier gibt es gesetzliche Vorgaben.
„In der Forschung weiß man bereits seit den 50er Jahren um die Risiken bei Rotationsbelastungen des Schädels. Aber erst jetzt setzt sich die Branche ernsthaft damit auseinander“, berichtet Madelen Fahlstedt.

 

Foto: Anna Sigge

Foto: Anna Sigge

In den letzten Jahren tauchten außerdem Helme auf, die damit beworben wurden, dass sie das Risiko einer Rotation des Schädels beim Aufprall mindern können – Helme mit dem sogenannten Mips-Schutz. Aber wie gut sind sie wirklich?

Testfakta beauftragte das schwedische technische Forschungslabor SP in Borås, fünf Helme mit Mips-Schutz und vier Helme ohne diesen Extraschutz zu testen. Die Helme wurden auf einem Testkopf angebracht und sowohl senkrechten als auch schrägen Aufprallen ausgesetzt. Im Inneren des Testkopfes wurden mit Messsensoren die Bewegungen des Kopfes gemessen. Anhand der Messdaten aus den Tests analysierte Madelen Fahlstedt anschließend die Schädigungen des Gehirns durch die unterschiedlichen Schlagbelastungen.
„Mit unserem Datensimulationsmodell können wir ermitteln, wie groß die Dehnbelastung der Hirnmasse beim Aufprall ist. Je größer die Dehnung, desto höher das Risiko einer Gehirnerschütterung“, erklärt sie.

Die Ergebnisse zeigen: Das Mips-Schutzsystem hilft. Das Risiko einer Gehirnerschütterung ist bei den Mips-Helmen von Giro und Spectra im Vergleich zum Abus und zum Specialized ohne Extraschutz viermal niedriger.

Der Test zeigt aber auch: Es kommt darauf an, welchen Mips-Helm man kauft. Beim Scott Arx Plus Mips ist zum Beispiel bei bestimmten Unfallarten das Risiko einer Gehirnerschütterung doppelt so hoch wie beim Spectra und beim Giro. Und auch Helme ohne Mips können gut schützen – der MET 20 Miles erzielte auch ohne Extraschutz unter anderem die besten Ergebnisse bei einem simulierten Unfall, bei dem der Radfahrer seitlich vom Fahrrad stürzt.

„Auch die Helmkonstruktion ist entscheidend“, betont Madelen Fahlstedt.

Foto: Anna Sigge

Foto: Anna Sigge

Es gibt derzeit keine Vorgaben oder Grenzwerte für die Schutzfunktion von Fahrradhelmen bei Rotationsbelastungen des Schädels. Das Thema sorgt jedoch in der Branche für viel Gesprächsstoff. Man geht davon aus, dass es in den nächsten Jahren in die Zertifizierungsstandards aufgenommen wird.

Die Dämpfungseigenschaften der Helme bei senkrechtem Aufprall erfüllten bei allen getesteten Modellen die gesetzlichen Vorschriften, auch wenn die Ergebnisse bei den einzelnen Helmen teils unterschiedlich ausfielen.
„Diese Stoßdämpfung ist ebenfalls wichtig, denn sie senkt das Risiko von Schädelfrakturen, die auch ernsthafte Konsequenzen haben können“, erläutert Madelen Fahlstedt.

Testfakta Editorial
20 Mai 2016

Fakten zum Mips-Schutzsystem

Das Mips-System besteht aus einer zusätzlichen Gleitschale im Helm, die bei einem schrägen Aufprall auf den Kopf etwas rotiert. Das Schutzsystem verringert sowohl die Kraft, die auf den Schädel wirkt, als auch die Rotation des Schädels. Die Technik wurde von Forschern der Königlich-Technischen Hochschule in Stockholm entwickelt.

 

Angaben zum Test

Das Schwedische Technische Forschungsinstitut SP testete im Auftrag von Testfakta neun verschiedene Fahrradhelme im Hinblick auf deren Schutzwirkung gegen Schädelverletzungen und Gehirnerschütterung. Forscher der Königlich-Technischen Hochschule KTH analysierten anschließend die Messwerte und nahmen eine Risikobewertung für Gehirnerschütterung vor.

 

Dämpfungseigenschaften der Helme bei senkrechtem Aufprall

Dieser Test wurde nach dem gesetzlichen Standard SS-EN 1078 durchgeführt. Der Helm wurde auf einem Dummy angebracht und mit ca. 20 km/h auf eine horizontale Fläche fallen gelassen. Der Test wurde bei +50° C und bei -20° C durchgeführt.

Beim Test wurde die Translationsbeschleunigung, d. h. die g-Kräfte, die auf den Kopf wirken, gemessen. Der gesetzliche Grenzwert liegt hier bei 250 g.

 

Schutzwirkung der Helme bei Rotation des Kopfes bei schrägem Aufprall

Die Helme werden mit einer Geschwindigkeit von 22 km/h auf eine schräge Fläche (45°) fallen gelassen, um verschiedene Unfallarten zu simulieren.

  1. Schräger Aufprall auf die Helmseite, der einen Fall zur Seite bzw. den Zusammenprall mit einem Fahrzeug simuliert.
  2. Schräger Aufprall auf die Oberseite des Helms, der z. B. einen Sturz über den Lenker simuliert.
  3. Schräger Aufprall auf der Hinterseite des Kopfes.

Bei den Tests wurden einerseits die g-Kräfte, die auf den Kopf wirken, und andererseits die Rotation des Schädels im Helm (Rotationsbeschleunigung und Rotationsgeschwindigkeit) gemessen.

Alle Messwerte wurden zur weiteren Analyse des Risikos für Schädigungen an die KTH übermittelt. Hier kann man anhand eines Modells des menschlichen Gehirns, das von Forschern an der Hochschule entwickelt wurde, die Dehnung der grauen Hirnmasse in Prozent ermitteln. Aus diesen Werten lässt sich auch das prozentuale Risiko einer Gehirnerschütterung ableiten.

 

Interessenskonflikt

Einer der Forscher, der das Datensimulationsprogramm der KTH entwickelt hat, gehört auch zu den Erfindern des Mips-Schutzes. Um einen eventuellen Interessenskonflikt zu vermeiden, wussten die Forscher nicht, um welche getesteten Helme es sich bei der Datensimulation handelte.

Fakten zum Mips-Schutzsystem

Das Mips-System besteht aus einer zusätzlichen Gleitschale im Helm, die bei einem schrägen Aufprall auf den Kopf etwas rotiert. Das Schutzsystem verringert sowohl die Kraft, die auf den Schädel wirkt, als auch die Rotation des Schädels. Die Technik wurde von Forschern der Königlich-Technischen Hochschule in Stockholm entwickelt.

 

Angaben zum Test

Das Schwedische Technische Forschungsinstitut SP testete im Auftrag von Testfakta neun verschiedene Fahrradhelme im Hinblick auf deren Schutzwirkung gegen Schädelverletzungen und Gehirnerschütterung. Forscher der Königlich-Technischen Hochschule KTH analysierten anschließend die Messwerte und nahmen eine Risikobewertung für Gehirnerschütterung vor.

 

Dämpfungseigenschaften der Helme bei senkrechtem Aufprall

Dieser Test wurde nach dem gesetzlichen Standard SS-EN 1078 durchgeführt. Der Helm wurde auf einem Dummy angebracht und mit ca. 20 km/h auf eine horizontale Fläche fallen gelassen. Der Test wurde bei +50° C und bei -20° C durchgeführt.

Beim Test wurde die Translationsbeschleunigung, d. h. die g-Kräfte, die auf den Kopf wirken, gemessen. Der gesetzliche Grenzwert liegt hier bei 250 g.

 

Schutzwirkung der Helme bei Rotation des Kopfes bei schrägem Aufprall

Die Helme werden mit einer Geschwindigkeit von 22 km/h auf eine schräge Fläche (45°) fallen gelassen, um verschiedene Unfallarten zu simulieren.

  1. Schräger Aufprall auf die Helmseite, der einen Fall zur Seite bzw. den Zusammenprall mit einem Fahrzeug simuliert.
  2. Schräger Aufprall auf die Oberseite des Helms, der z. B. einen Sturz über den Lenker simuliert.
  3. Schräger Aufprall auf der Hinterseite des Kopfes.

Bei den Tests wurden einerseits die g-Kräfte, die auf den Kopf wirken, und andererseits die Rotation des Schädels im Helm (Rotationsbeschleunigung und Rotationsgeschwindigkeit) gemessen.

Alle Messwerte wurden zur weiteren Analyse des Risikos für Schädigungen an die KTH übermittelt. Hier kann man anhand eines Modells des menschlichen Gehirns, das von Forschern an der Hochschule entwickelt wurde, die Dehnung der grauen Hirnmasse in Prozent ermitteln. Aus diesen Werten lässt sich auch das prozentuale Risiko einer Gehirnerschütterung ableiten.

 

Interessenskonflikt

Einer der Forscher, der das Datensimulationsprogramm der KTH entwickelt hat, gehört auch zu den Erfindern des Mips-Schutzes. Um einen eventuellen Interessenskonflikt zu vermeiden, wussten die Forscher nicht, um welche getesteten Helme es sich bei der Datensimulation handelte.